Kondenswasser

frank-berendt

Anja Kampmann

 

Versuch über das Meer

 

Es soll um den Horizont gehen den

Farbauftrag der Ferne das helle Knistern

der Flächen von Licht und die Verbreitung

des Lichts wie es sich aufbäumt das Meer

in seiner weiten Brust der Faulschlamm

der Fischmehlfabriken das Meer der romantischen

Feuer an den Kiesstränden Reisende

die sich für immer verlieren

in einer Aussicht das Meer in den Häfen, den Docks

den Containerarealen das Meer züngelnd

unter Kränen die nachtwärts

das Heimweh hieven das Meer der Muränen

lauernd hinter einem Stein

das Meer der Tiefe verborgen ein Suchbild

für die Träume vom. Meer

die im Meer verschwunden sind grundlos

die Gräben darüber ein Mosaik aus Flocken

strömendes zähes Feld aus Dreck das Meer

das so gut verborgen ist japsend nach Luft in

seiner weiten Brust nach sich selbst

schnappend.

 

*

grenzland

wir haben tauwetter für die helleren stunden

wir haben keine kälte gekannt nur die leitern

führten hoch und höher in den baum wo die früchte

in gruppen hingen das laub roch die dünneren zweige

nur so viel blieb von der aussicht dir müdigkeit

in den knochen auf der waage wurden die stunden

vermessen die sonne lag in all der rötlichen schale

wir sammelten in dem grenzgebiet nur die hohlen

eimer voll in denen die erinnerung hauste ein

rötlicher boden neben den bäumen wie gebrüll

als die sonne sich schließlich neigte.

 

*

 

du hast von kaliningrad

den grießbrei behalten der blechtopf am morgen

im internat die hunde die wilden mit gebrochenen

schwänzen und schließlich ein schiff

das dir entgegen kam entfernt und weit später

im hafen die schatten der mützen brachen

den blick brachen hinter den kragen

die wochen auf zwischen krieg und marine

lagen meilen auf see und gänge so schmal

und kartoffeln so viele und nur

das geschrei von den möwen.

 

*

Leichthin

ist der Sommer

Ferne schreibt

die Buchstaben deines Gedächtnisses

mit leichter Hand

Während ein einzelnes Riesenrad

Gondel um Gondel

in die Luft steigen lässt

 

So ist auch die Nacht

nämlich das Aufsteigen

einer ungefähren Sprache

 

Kondenswasser

 

und so sind die Tage

nämlich ähnlicher dem Vergessen

dem Abwenden des Blicks wenn

der frühe Abend die Kleider durchdringt

 

die Übergänge ins Vorhin

dem du ähnlicher

wirst. Abtreiben auf diesem alten Dampfer in Richtung Atlantik, Cuba

So sind Tage

leichthin -

fallen die Gondeln

fallen wie jeder Schritt

Setzkästen mit getrockneten Faltern

eine Sammlung

die wie ein Schnalzen in der Dunkelheit verklingt.

 

* *

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* *

frank-berendt-vergessenes-kinderbild

Bilder: Frank Berendt

anja-kampmann-c-juliane-henrichAnja Kampmann was born in Hamburg in 1983. She studied at the University of Hamburg and at the German Institute for Literature in Leipzig. She’s published poems and essays the about musicality and silence in the late work of Samuel Becket in several anthologies and magazines such as Akzente, Neue Rundschau, Wespennest and Jahrbuch der Lyrik. She was awarded with the MDR Literaturpreis in 2013 followed by the Wolfgang Weyrauch-Förderpreis at the Literarischer März in Darmstadt in 2015. Her first collection of poetry ‚Proben von Stein und Licht’ is nominated for the Ulla-Hahn-Literature Prize.


Published on October 30th of 2016 in Guest Languages.



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